Arzneimittelkunde für VERAH®
Das vorliegende Buch vermittelt dieses Wissen und geht dabei weit über das hinaus, was in der Prüfung zur VERAH® vorausgesetzt wird. Es ist zum einen als Leitfaden für unterwegs gedacht, denn Informationen zu den meisten in der hausärztlichen Versorgung eingesetzten Wirkstoffe lassen sich schnell „offline“ nachschlagen. Zum anderen vermittelt das Buch vertiefendes Wissen in allgemeiner Pharmakologie: Erklärt wird u. a., wovon es abhängt, wie schnell die Wirkung eines Arzneimittels einsetzt, auf welche Weise Wechselwirkungen von Medikamenten untereinander oder mit Nahrungsbestandteilen entstehen können und warum viele Wirkstoffe im Alter langsamer ausgeschieden werden.
Buch bestellen …In der hier vorliegenden aktualisierten Ausgabe sind neue Aspekte hinzugekommen wie z. B. chronische entzündliche Darmerkrankungen und externe Dermatika sowie ein Extrakapitel zum Infektionsschutz.
Autor: Dr. med. Ulrich Scharmer
In Zusammenarbeit mit dem Institut für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband (IHF
e.V.)
Umfang: 200 Seiten, mit Farbregister
Auflage: 2. aktualisierte Auflage 2020, mit neuen Indikationen und einem Kapitel zum Infektionsschutz
Verlag: mm medizin + medien Verlag GmbH, München
ISBN: 978-3-9817921-2-6
Preis: 24,90 EUR
Im Aufbau …
Hier finden VERAH®, MFA und alle, die auf die Schnelle fundierte Infos zur Arzneitherapie in der Hausarztpraxis suchen, Rat.
Bleiben Sie immer up-to-date mit dem digitalen VERAH®-Lexikon. Mit dem Lexikon können sich MFA außerdem ideal für ihre Prüfung zur VERAH® vorbereiten. Und noch mehr: Tipps für die praktische Anwendung – u.a. über den Abstand zwischen der Einnahme eines Medikaments und einer Mahlzeit, Hinweise zum Teilen von Tabletten, Anleitungen für subkutane und intramuskuläre Injektionen – sowie klinisch bedeutende Neben- und Wechselwirkungen und ein vertiefendes Wissen in allgemeiner Pharmakologie.
Die Wirkungen der meisten Arzneistoffe werden durch die Struktureigenschaften des jeweiligen Medikaments bestimmt. Man spricht in diesem Fall von strukturspezifischen Wirkungen. Zu den wenigen Arzneistoffen, deren Wirkung nicht von der Struktur bestimmt wird (strukturunspezifische Wirkungen), gehören Narkosegase und Desinfektionsmittel. Die strukturspezifischen Wirkmechanismen lassen sich einteilen in:
Rezeptoren sind komplexe Moleküle an der Oberfläche oder im Inneren einer Zelle. Sobald sich das passende Signalmolekül (der Agonist) an die Bindungsstelle des Rezeptors anlagert, löst dieser ein Signal aus, das eine Reaktion der Zelle zur Folge hat (siehe Abb. 2.2.1.1). Rezeptor und Agonist passen wie Schlüssel und Schloss zusammen.
Beispiel: Bei akuter Bedrohung schüttet der Körper viel Adrenalin aus. Adrenalin ist ein Signalmolekül. Die passenden Rezeptoren dazu sind die Alpha- und Betarezeptoren, die u. a. an Blutgefäßen und im Herzen zu finden sind. Dockt ein Adrenalinmolekül an den Betarezeptoren der Herzmuskelzellen an, reagiert das Herz, indem es schneller und kräftiger schlägt. Auf diese Weise werden die Muskeln stärker durchblutet, sodass der bedrohte Organismus sich besser wehren oder die Flucht ergreifen kann.
An einem Rezeptor sind grundsätzlich zwei Wirkungen möglich: Ein Arzneistoff stimuliert oder blockiert den Rezeptor. Ein Wirkstoff, der den Rezeptor stimuliert (wie das körpereigene Adrenalin im obigen Beispiel), wird als Agonist (Handelnder) bezeichnet, gelegentlich auch als Mimetikum (Nachahmender). Arzneistoffe, die einen Rezeptor blockieren (man spricht auch von besetzen), werden als Blocker oder Antagonisten (Gegenspieler) bezeichnet. Sie binden an den Rezeptor, lösen aber kein Signal aus (untere Reihe in Abb. 2.2.1.1). Ihre Wirkung besteht darin, dass sie z. B. Rezeptoren für Adrenalin blockieren und dadurch dessen Wirkung abschwächen.
Rezeptor-BindungAbbildung 2.2.1.1: Bindung eines Agonisten (gelb) und eines Antagonisten (rot) an den Rezeptor einer Zelle. Der Agonist löst das für den Rezeptor charakteristische Signal aus und die Zelle reagiert (obere Reihe). Der Antagonist (= Rezeptorblocker) bindet ebenfalls an den Rezeptor, löst aber kein Signal aus und blockiert ihn für Agonisten (untere Reihe).
Enzyme beschleunigen Stoffwechselschritte, die auch spontatn ablaufen. Wichtig für die Regulation des Herz-Kreislauf-Systems ist das Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE). Nimmt man einen ACE-Hemmer ein, wird weniger Angiotensin I zu Angiotensin II umgewandelt (→ Abb. 11.1.2.3.1). Eine der Folgen: Der Blutdruck sinkt. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) hemmen das Enzym Zyklooxygenase, das einen wesentlichen Schritt in der Synthese von Prostaglandinen bewerkstelligt. Folglich wird die Synthese dieser entzündungsfördernden Botenstoffe gedrosselt.
Dies ist das Wirkprinzip der meisten Antibiotika. Betalaktamantibiotika (Penicillin und seine Verwandten) hemmen z. B. die Zellwandsynthese in Bakterien, wodurch diese letztlich zerstört werden.
Diuretika hemmen je nach Substanzgruppe verschiedene Ionentransporter (z. B. für Natrium- und/oder Kaliumionen) und erhöhen dadurch die Ausscheidung von Urin. Protonenpumpenhemmer verringern die Säurebildung im Magen, indem sie den energieabhängigen Austausch von Wasserstoffionen (H+ = „Protonen“) gegen Kaliumionen (K+) hemmen.
Kalziumantagonisten blockieren den Einstrom von Kalzium in bestimmte Zellen. Glatte Gefäßmuskelzellen erschlaffen daher, sodass der Blutdruck sinkt. Außerdem schützen diese Wirkstoffe Zellen vor einer gefährlichen Kalziumüberladung.
Dies wird als Dosis-Wirkungs-Beziehung (←) bezeichnet. Prinzipiell verläuft der Zusammenhang wie in Abbildung 2.2.2.1 schematisch dargestellt.
Dosis und Wirkung Abbildung 2.2.2.1: Wirkung unterschiedlicher Dosen eines Blutdrucksenkers bei einem Patienten (Erklärung siehe Text).
Unterhalb einer bestimmten Dosis (1) ist keine Wirkung zu beobachten. Wird diese Schwelle (= minimale Wirkdosis) überschritten, setzt der Effekt ein und nimmt langsam mit der Dosis zu (2). Daran schließt sich ein Bereich an, der oft mehr oder weniger gerade (= linear) verläuft (3). Linear bedeutet, dass die doppelte Dosis ungefähr den doppelten Effekt hat. Beispiel: 10 mg eines Blutdrucksenkers verringern den systolischen Blutdruck um 2 mmHg, 20 mg senken ihn um 4 mmHg. Zu höheren Dosen hin wird die Kurve flacher und verläuft am Ende nahezu horizontal (4). Eine weitere Dosiserhöhung führt dann nicht mehr zu einer stärken Wirkung, d. h. es ist eine Sättigung eingetreten.
Das Lebensalter beeinflusst nicht nur die Aufnahme und die Ausscheidung von Medikamenten (→ 2.1.6), sondern auch die Pharmakodynamik.
Ein bekanntes Beispiel sind Betablocker, die bei älteren Menschen den Blutdruck kaum senken, weil die Betarezeptoren im Alter weniger stimulierbar sind und eine Blockade folglich weniger Effekte zeigt. Andere Wirkstoffe dagegen, insbesondere Sedativa (Beruhigungsmittel), Opioidanalgetika und Psychopharmaka, können im Alter stärker wirksam sein und auch vermehrt Nebenwirkungen hervorrufen, z. B. Verwirrtheitszustände. Auch paradoxe Reaktionen werden bei älteren Menschen gelegentlich beobachtet, z. B. eine erregende Wirkung nach Einnahme von Benzodiazepinen.
Nur wenige Medikamente sind an Kindern, Kleinkindern oder Neugeborenen geprüft worden. Das erschwert die medikamentöse Behandlung in diesen Altersgruppen erheblich.
Seit einigen Jahren werden Geschlechterunterschiede nicht nur bei Erkrankungen, sondern auch bei der Wirkung von Arzneimitteln erforscht. Unterschiede zeichnen sich u. a. bei der Wirkung von Schmerzmitteln, Entzündungshemmern, Herz-Kreislauf-Medikamenten und Psychopharmaka ab.
Pharmakokinetik beschreibt den gesamten Weg eines Arzneistoffs durch den Körper: von der Anwendung bis zur vollständigen Ausscheidung.
Als Pharmakodynamik werden sämtliche Wirkungen zusammengefasst, die ein Arzneistoff entfaltet, auch die Nebenwirkungen.
Resorption ist die Aufnahme eines Wirkstoffs über den Magen-Darm-Trakt, die Schleimhäute von Mund, Nase,
Auge oder Scheide, über die Haut sowie die Oberfläche von Bronchien und Lungen.
Unter Bioverfügbarkeit versteht man den Anteil eines Medikaments, der z. B. nach Einnahme als Tablette
in den großen Kreislauf des Körpers gelangt und dort wirken kann.
Am schnellsten wirken Arzneistoffe, wenn sie intravenös injiziert werden. Manche Wirkstoffe gelangen
auch über die Schleimhaut von Mund und Nase innerhalb weniger Minuten in den Körper.
First-pass-Effekt bedeutet, dass manche Wirkstoffe, die über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden,
bei der ersten Leberpassage in nennenswertem Ausmaß abgebaut werden. Dieser Anteil gelangt daher nicht
in den großen Kreislauf und kann nicht wirksam werden.
Ein Prodrug ist eine nicht wirksame Vorstufe eines Arzneistoffs, die erst im Körper aktiviert wird.
Die Ausscheidung erfolgt im Wesentlichen über Leber und Nieren. Vorwiegend in der Leber abgebaute Stoffe
müssen bei Leberfunktionsstörungen niedriger dosiert werden, um eine Kumulation (Anreicherung) im Körper
zu verhindern. Das gleiche gilt bei Niereninsuffizienz und generell im höheren Alter für vorwiegend über
die Nieren ausgeschiedene Medikamente.
Werden Medikamente wiederholt eingenommen, erreicht der Plasmaspiegel nach einiger Zeit einen
Gleichgewichtszustand (Steady-State).
Bei zu hohen Dosen steigt der Plasmaspiegel immer weiter (Kumulation) und kann gefährlich hohe Werte
erreichen.
Das Lebensalter und Erkrankungen haben Einfluss auf die Pharmakokinetik und die Pharmakodynamik.
Die therapeutische Breite eines Wirkstoffs gibt an, wie groß der Abstand zwischen dem minimalen und dem
toxischen Plasmaspiegel ist. Medikamente mit kleiner therapeutischer Breite müssen besonders sorgfältig
dosiert werden.
In diesem Abschnitt werden Medikamente beschrieben, die mithilfe von Dosieraerosolen oder Inhalationsgeräten auf die Schleimhäute der Atemwege gebracht werden. Die meisten sind zur Behandlung chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen wie des Asthma bronchiale und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) bestimmt (→ 12).
Dosieraerosole enthalten ein Treibgas. Es gibt zwei Varianten: Entweder muss der Sprühstoß vom Anwender ausgelöst werden oder das Dosieraerosol erkennt das Einatmen und löst den Sprühstoß selbsttätig aus (= atemzuggesteuertes Dosieraerosol).
Da das Treibgas einen unerwünschten Kältereiz auslösen kann, wird bei manchen Geräten eine kleine Kammer vorgeschaltet, ein sog. Spacer. Spacer werden auch als Inhalierhilfen bezeichnet und sorgen dafür, dass mehr Wirkstoff in die Lungen gelangt und weniger unbeabsichtigt in der Mundhöhle verbleibt (wichtig z. B. für Kortikoide).
Die einzelnen Schritte der Anwendung (siehe auch Abb. 4.5.1.1) bestehen aus:
Diese Inhalatoren kommen ohne Treibgas aus. Wesentlicher Unterschied zum Dosieraerosol: Das Pulver wird vor der Anwendung aus einer Kapsel oder einem Blisterreservoir eingefüllt, sodass der Sprühstoß entfällt. Es gibt zahlreiche verschiedene Modelle, die z. B. durch Drehen oder Drücken befüllt werden. Meistens signalisiert ein klickähnliches Geräusch das erfolgreiche Befüllen und ein Zähler zeigt an, wie viele Dosiseinheiten noch enthalten sind. Ein Vorteil dieser Systeme ist, dass weniger Wirkstoff unbeabsichtigt in Mund- und Rachenraum verbleibt.
In einen Pulverinhalator darf keinesfalls ausgeatmet werden, weil das System nur funktioniert, wenn es trocken gehalten wird. Daher müssen auch größere Temperaturschwankungen vermieden werden (Gefahr von Kondenswasserbildung).
Unter dem Handelsnamen „Respimat“ wird ein Inhalationsgerät angeboten, das eine sichtbare Sprühwolke freisetzt. Die Tröpfchen sind fein und bewegen sich langsamer als bei einem Dosieraerosol. Die vernebelte Lösung wird zudem länger abgegeben, was die Koordination mit der Atmung erleichtern soll. Laut Hersteller bleibt weniger Wirkstoff in Mund und Rachen hängen als bei Dosieraerosolen und Pulverinhalatoren. Der Düsenvernebler enthält kein Treibgas und arbeitet rein mechanisch.
Prinzip der Verneblung sind zwei gegenüberliegende, aufeinander gerichtete feine Düsen. Beim Betätigen des Verneblers wird die Flüssigkeit durch diese Düsen gepresst. Durch das Zusammentreffen der beiden Strahlen entsteht eine langsam ausströmende feine Sprühwolke. Wichtig ist, den Düsenvernebler zur Inhalation waagerecht in Richtung Rachen zu halten. Nach Auslösten des Sprühstoßes wird langsam und tief durch den Mund eingeatmet. Danach den Atem für 5 bis 10 Sekunden anhalten und anschließend normal weiteratmen. Der Wirkstoff ist in einer Patrone enthalten. Vor der ersten Anwendung muss der Vernebler aktiviert werden.
Diese Geräte erzeugen aus einer Wirkstofflösung mithilfe von Druckluft einen feinen Nebel, der über ein Mundstück oder eine Maske eingeatmet werden kann. Es gibt Fertiglösungen oder das Medikament wird durch Zugabe von Wirkstoffen zu einer Basislösung (z. B. Kochsalzlösung) selbst hergestellt.
Ein bekanntes System ist der „Pari Boy“. Nachdem der Behälter mit dem Medikament befüllt worden ist, setzt sich der Patient entspannt aufrecht hin. Nach Einschalten des Kompressors wird das Mundstück mit den Lippen fest umschlossen. Der Patient atmet langsam und tief durch den Mund ein und aus (Mundstück dabei nicht absetzen, d. h. es wird in das System ausgeatmet), bis das Medikament aufgebraucht ist. Danach den Kompressor ausschalten und das Gerät gemäß Gebrauchsanweisung reinigen.
Speziell für Patienten mit Zystischer Fibrose (= CF, Mukoviszidose) gibt es eine Reihe weiterer elektrischer Inhalationssysteme.
Ab dem 65. Lebensjahr vergrößert sich die Prostata bei den meisten Männern. Es entwickelt sich das benigne Prostatahyperplasiesyndrom (BPS), das bei fast allen Männern ab dem 75. Lebensjahr nachweisbar ist. Allerdings haben nur etwa 30 bis 40 % von ihnen Beschwerden.
Das Wachstum der Prostata wird durch Dihydrotestosteron stimuliert. Estradiol unterstützt diese Wirkung. Ältere Männer weisen höhere Spiegel des weiblichen Sexualhormons auf als jüngere.
Die vergrößerte Prostata reizt die Harnröhre und engt sie ein. Im Stadium I macht sich das als langsam einsetzender Beginn des Wasserlassens und abgeschwächter Harnstrahl bemerkbar. Es besteht häufiger Drang zum Wasserlassen. Im Stadium II kann die Blase nicht mehr vollständig entleert werden. Der Restharn löst schon kurze Zeit nach dem Wasserlassen erneut Harndrang aus. Im Stadium III ist die Blase ständig stark gefüllt und läuft bei Überfüllung über, ohne dass der Patient dies steuern kann (Überlaufinkontinenz). Ist die Harnröhre komplett verschlossen, besteht Harnverhalt, der aufgrund des Rückstaus zu Nierenschäden führen kann. Der akute Harnverhalt ist ein Notfall, der nur durch Katheterisieren (durch die Harnröhre oder direkt durch die Bauchhaut in die Blase) zu beheben ist. Begünstigt wird ein akuter Harnverhalt durch Zufuhr großer Flüssigkeitsmengen und langes Sitzen (z. B. auf Volksfesten).
Medikamente bei BPS haben zwei Ansatzpunkte: die Entspannung der glatten Muskulatur der Harnröhre und die Hemmung der Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron.
Die glatten Muskelfasern des Blasenhalses, der Prostata und der Harnröhre ziehen sich zusammen, wenn sie durch Adrenalin/Noradrenalin stimuliert werden. Diese Kontraktion wird über Alpha-1-Rezeptoren vermittelt. Folglich führen Alpha-1-Rezeptorblocker zu einer Erschlaffung dieser Muskelfasern und erleichtern den Harnabfluss.
Allerdings geht eine stärkere Blockade dieser Rezeptoren mit einem deutlichen Blutdruckabfall einher. Bei der BPS verwendet man daher Substanzen, die vorwiegend die Alpha-1A-Rezeptoren in der Prostata blockieren und daher den Blutdruck weniger stark senken. Dies sind Alfuzosin und Tamsulosin.
Beide Medikamente kommen vorwiegend bei jüngeren Patienten infrage. Sie können oft eine Operation an der Prostata hinauszögern bzw. die Zeit bis dahin überbrücken.
Nebenwirkungen/Wechselwirkungen/Kontraindikationen: Trotz einer gewissen Selektivität für Alpha-1A-Rezeptoren der Prostata kann es zu einem Blutdruckabfall und zur Störung der Orthostaseregulation (Schwindel und Schwarzwerden vor den Augen beim Aufstehen aus dem Liegen/Sitzen) kommen. Reflektorisch kann der Puls steigen (Tachykardie). Nicht anwenden, wenn bereits Orthostasebeschwerden bestehen. Vorsicht bei Behandlung mit anderen Medikamenten, die gefäßerweiternd wirken, wie Blutdrucksenker oder Nitrate. Außerdem bei Herzinsuffizienz, Long-QT-Syndrom und gleichzeitiger Gabe von Medikamenten, die die QT-Zeit verlängern. Nicht bei sehr schwerer Niereninsuffizienz sowie Leberinsuffizienz anwenden.
Besonderheit: Retardtabletten/Hartkapseln mit den Wirkstoffen dürfen nicht geteilt oder zerkleinert werden, weil sonst die Retardwirkung verlorengeht. Alfuzosin 24 Stunden vor geplanten Operationen absetzen. Vor einer geplanten Kataraktoperation muss der Augenchirurg über die Einnahme von Alfuzosin oder Tamsulosin informiert werden. Behandlung nicht vor geplanter Kataraktoperation beginnen (Risiko für „Floppy-Iris-Syndrom“).
Die beiden Wirkstoffe Finasterid und Dutasterid verringern die Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron durch das Enzym 5-Alpha-Reduktase. Dihydrotestosteron ist wesentlich stärker wirksam als Testosteron und stimuliert u. a. die Vergrößerung der Prostata. Daher kann die Blockade der Umwandlung die weitere Größenzunahme des Organs bremsen und das Prostatavolumen nach mehreren Monaten um 20 bis 30 % verkleinern.
Angewendet werden 5-Alpha-Reduktasehemmer vorwiegend bei älteren Patienten mit stark vergrößerter Prostata.
Nebenwirkungen/Kontraindikationen: Der Rückgang von Dihydrotestosteron kann zu nachlassender Libido und Impotenz führen. Möglich ist ferner eine Vergrößerung der Brustdrüse (Gynäkomastie). Nicht bei schwerer Leberfunktion anwenden.
Besonderheiten: Unter Behandlung mit 5-Alpha-Reduktasehemmern geht das prostataspezifische Antigen (PSA) im Blut deutlich zurück. Es gibt Hinweise, dass 5-Alpha-Reduktasehemmer die Entwicklung von Prostatakrebs zurückdrängen können. Davon sind allerdings nur die weniger bösartigen Prostatakarzinome betroffen (niedriger Gleason-Score), während die aggressiveren Formen mit hohem Gleason-Score möglicherweise gehäuft auftreten.
Frauen, die schwanger sind oder schwanger werden könnten, dürfen beschädigte Filmtabletten oder Kapseln nicht mit der Haut berühren, weil der Wirkstoff aufgenommen wird und männliche Feten gefährdet.
Extrakte aus Brennnesselwurzel, Sägepalmenfrüchten, Kürbissamen, Roggenpollen sowie Gemische aus Phytosterolen werden einzeln und in verschiedenen Kombinationen weit verbreitet auf dem Weg der Selbstmedikation angewendet. Für einzelne Extrakte gibt es mittlerweile Hinweise auf eine Wirkung bei BPS. Insgesamt ist die Studienlage zu pflanzlichen Arzneimitteln in dieser Indikation aber mäßig. Die Kosten werden im Allgemeinen nicht von der GKV übernommen.